Stadtkirche mit Barbara-Altar des Malers Jörg Ratgeb

Barbara-Altar von Jörg Ratgeb in der ev. Stadtkirche Schwaigern
Bild vergrößern
Barbara-Altar von Jörg Ratgeb in der ev. Stadtkirche Schwaigern

Um das Jahr 1200 datieren die ältesten baugeschichtlichen Spuren der kunsthistorisch bedeutsamen, evangelischen Johanneskirche. 1514 begann der renommierte Kirchenbaumeister Bernhard Sporer im Auftrag des Grafen Wilhelm von Neipperg mit dem Neubau unter Einbeziehung der romanischen Bausubstanz. Bereits vier Jahre zuvor entstand, ebenfalls im Auftrag des Grafen Wilhelm von Neipperg, der Barbara-Altar des Malers Jörg Ratgeb.

Um 1480 in Schwäbisch Gmünd geboren, wurde Ratgeb als Folge seiner Betätigung als Bauernkanzler im Bauernkrieg, 1526 in Pforzheim gevierteilt. Neben seinem berühmten Herrenberger Altar, welcher sich heute in der Staatsgalerie in Stuttgart befindet, und den riesigen Wandgemälden im Frankfurter Karmeliterkloster, handelt es sich beim Barbara-Altar in Schwaigern um den einzigen Altar Ratgebs, welcher ihm eindeutig zugeordnet werden kann und der sich noch am ursprünglichen Platz befindet.
Die Vielzahl vorreformatorischer Altäre und hervorragenden Steinmetzarbeiten machen die Evangelische Stadtkirche in Schwaigern zu einem besonders lohnenswerten Ziel. Kirchenführungen vermittelt gerne die Stadtverwaltung Schwaigern.

Der Barbara-Altar in der evangelischen Stadtkirche

Das Barbara-Retabel von 1510 ist das früheste der signierten und datierten Werke Jörg Ratgebs, zugleich ein Meisterwerk der süddeutschen Frührenaisssance. Ratgeb führte hier sein ganzes technisches und künstlerisches Können vor. Das Retabel wurde wahrscheinlich von Graf Wilhelm von Neipperg, dem Schwaigerner Kirchenherrn, gestiftet und schmückte ursprünglich einen Altartisch.

Die Mitteltafel schildert den Märtyrertod Barbaras und zwölf weitere Szenen aus ihrer Legende. Die linke Tafel zeigt die Begegnung Christi und Magdalenas am Ostermorgen, darüber die mystische Kommunion der Büßerin. Der rechte Flügel stellt die Bekehrung des Paulus und vier Szenen aus seinem Leben dar. Die Flügelaußenseiten ziert schließlich der Abschied der Apostel, die unter dem Segen Christi in alle Welt hinausziehen.

Die Altartafeln stehen auf einer Predella, in deren zentraler Nische einst vielleicht Reliquien der Heiligen zur Schau gestellt wurden. Zwei Engel mit den Leidenswerkzeugen Christi flankieren die Nische.

Die Inschrift auf der unteren Rahmenleiste der Mitteltafel lautet „SPES. PREMII. SOLACIUM. LABORIS“ („Die Hoffnung auf Lohn ist der Trost für die Mühen“). Sie spielt auf das mühevolle Leben der Heiligen und ihren himmlischen Lohn an. Neben diesen Text setzte Ratgeb seine Signatur: I M R. Das für seinen Meistertitel stehende „M“ strich er durch, da er diesen Titel in Heilbronn nicht führen durfte, weil seine Frau Leibeigene Herzog Ulrichs von Württemberg war.

Jörg Ratgeb im Bauernkrieg

April 1525 – das württembergische Bauernheer steht mit 12000 Männern vor den Toren Stuttgarts. Habsburgische Regierung und die habsburgtreuen Bürgermeister sind aus der Stadt geflohen. Ein Krisenausschuss wird gewählt, um das Stadtregiment zu übernehmen. Mit im Ausschuss der Stuttgarter Bürger ist der Malermeister Jörg Ratgeb. Kurz darauf ist Ratgeb Teil eines Gremiums, dass mit dem Auftrag in das Bauernlager gesandt wird, die Bauern durch Verhandlungen solange hinzuhalten, bis die Truppen des Schwäbisch Bundes und der Habsburger eingetroffen sind.

Ratgeb verrät jedoch der Bauernschaft die Absichten der Stuttgarter. Die Bauernführer drohen daraufhin der Stadt Stuttgart, ihre Weinberge und Felder zu verwüsten, wenn ihnen nicht ein 300 Mann starkes, bewaffnetes Kontingent zur Verfügung gestellt würde. Die Stuttgarter schlagen daraufhin vor, das Bauernheer solle bei Cannstatt lagern. Dort würden sie von der Stadt aus versorgt. Die Bauern akzeptieren, doch ein schweres Hagelwetter treibt sie wenig später in die Stadt. Als kurz darauf die geforderte Truppe vom Stuttgarter Rat gestellt wird, bekommt Ratgeb als einer von sechs Kriegsräten die Leitung der Schreibstube übertragen. Seine Kanzlei hat unter anderem die Aufgabe, die Bauernhaufen mit Befehlen zu versorgen.

Ende April wird Ratgeb in dringender Angelegenheit ins Bauernlager gerufen: Der Truchseß von Waldburg rückt mit seinem starken Heer unaufhaltsam näher. Anfang Mai entwirft Ratgeb ein Schreiben an die mit den Bauern verbündeten Adligen und Städte, mit der Aufforderung, unverzüglich dem Bauernheer zur Hilfe zu eilen.

Wenige Tage später endet Ratgebs Tätigkeit als Kanzler, denn seine Schreibstube fällt im Zuge der Rückeroberung der Stadt Herrenberg durch die Truppen des Schwäbischen Bundes in deren Hände. Ratgeb flieht, wird aber kurze Zeit später gefasst. 1526 wird er in Pforzheim verurteilt und gevierteilt.